Mit dem Fahrrad auf Reisen: Südafrika

Am Bain's Kloof Pass

Praktisch zur gleichen Zeit, als zwischen den beiden deutschen Staaten die Mauer fiel, wurden in Südafrika die Apartheidsgesetze, das Verbot nichtweißer Oppositionsparteien und -bewegungen, aufgehoben und erhielten politische Gefangene ihre Freiheit zurück. Eine Wende, die bei uns ein bißchen unterging, da wir mit unserer eigenen Wiedervereinigung beschäftigt waren.
Die Leistung, die die Menschen in Südafrika vollbracht haben, ist für mich noch um einiges höher anzusiedeln als die deutsch-deutsche Wiedervereinigung. Bei uns wurde zusammengeführt, was schon mal zusammen war.
In Südafrika dagegen waren es unterschiedliche Kulturen, die seit Beginn der europäischen Besiedlung im Jahr 1652 irgendwie versuchten, miteinander auszukommen. Doch da die Neuankömmlinge meinten, sie seien stärker und besser als die Einheimischen, waren Konflikte vorprogrammiert. Das Ganze mündete 1911 in die ersten rassendiskriminierenden Gesetze. Seitdem, bis 1990, wurde die schwarze Bevölkerung von der in zahlenmäßiger Minderheit befindlichen weißen Bevölkerung unterdrückt.
Die Abschaffung der Apartheid durch De Klerk im Jahr 1990 und die Freilassung von Nelson Mandela stellten die Wende dar. Vom 26. bis 29. April 1994 fanden die ersten freien, nichtrassistischen Wahlen in Südafrika statt. Die Schwarzen kamen an die Macht, und Nelson Mandela wird ihr Staatsoberhaupt und Regierungschef.
Nelson Mandela war 26 Jahre lang in Gefangenschaft, die meiste Zeit auf der Gefängnisinsel Robben Island vor Kapstadt, dann wird er aus dem Gefängnis entlassen, und ohne Rache fängt er an, Schwarz und Weiß zu versöhnen. Für mich ist er der Staatsmann des Jahrhunderts.
Mit seiner Ausstrahlung gelingt es ihm, die Rachegelüste der schwarzen Bevölkerung gegenüber den Weißen auf ein Minimum zu reduzieren. Soweit wie ich das in meinen vier Monaten in Südafrika, auf meinen 6.000 km durch Großstädte und ländliche Gegenden, beurteilen kann, ist in vielen Köpfen die Apartheid noch sehr stark präsent. Aber das müßten wir ja am besten nachvollziehen können. Bei wie vielen von uns ist die Mauer in den Köpfen noch vorhanden? Ist der Spruch vom „Besserwessi“ oder „Dunkeldeutschland“ existent?
In den jetzt sechs Jahren schwarzer Regierung kann sich noch nicht alles in Südafrika komplett verändert haben. Zu lange wurden die Kinder Schwarzer daran gehindert, in die Schule zu gehen, haben die Erwachsenen nur niedere Jobs bekommen. Daß sie jetzt den Spieß umdrehen und die „guten Jobs“ mit ihren Leuten besetzen, ist irgendwie verständlich. Auch wenn sie nicht die besseren Qualifikationen haben. Die jetzige Regierung muß aber auch darauf achten, daß die qualifizierten weißen Fachkräfte nicht das Land verlassen. Das wäre nicht gut für die Wirtschaft.
Das Gerede über die Kriminalität in Südafrika kann ich nicht mehr hören. Es sind natürlich jetzt die Weißen, die sich von der schwarzen Bevölkerungsmehrheit bedroht fühlen. Jeder Weiße, mit dem ich mich über das Thema unterhalten habe, sagte mir, daß mindestens einer aus seinem Verwandten- oder Bekanntenkreis von Schwarzen überfallen wurden oder ähnliches. Wie viele Weiße hatten mir von der Fahrt mit dem Fahrrad durch Südafrika abgeraten und dann auch noch allein! Die Schwarzen sahen das ganz locker; sie haben mir gesagt, wo es vielleicht gerade ein bißchen rumort, ansonsten hatten sie keine Bedenken, daß ich ihr Land mit dem Fahrrad erkunde. Sie konnten es höchstens nicht verstehen, daß man sich überhaupt solchen Strapazen aussetzen kann.
Was ist denn bei uns in Deutschland los? Da gibt es seit Jahren die politische Diskussion um ein Verbot der NPD. Da ist immer wieder in den Nachrichten zu hören, daß ausländische Mitbürger von Rechtsradikalen verfolgt, verprügelt oder gar getötet wurden. Da fühlte ich mich als Ausländer bestimmt sicherer in Südafrika, als sich viele Ausländer bei uns sicher fühlen können.
Daß Menschen in Südafrika bestohlen werden und darunter auch Touristen sind, das kann ich nicht leugnen, aber wo ist das heutzutage nicht der Fall? Ich habe aber auch das Gefühl, daß das der südafrikanischen Regierung ganz gelegen kommt. Die Angst um Einbrüche und Diebstähle schafft Hunderttausende von Arbeitsplätzen im Security-Bereich, die hauptsächlich von Schwarzen ausgeübt werden. So steigen die „offiziellen“ 30 % Arbeitslosigkeit unter der schwarzen Bevölkerung zumindest nicht weiter an.
Ich kann nur sagen, daß man mit ein wenig Menschenkenntnissen ganz prima durch das Land kommt, ohne in irgend einer Weise unangenehm behelligt zu werden. Das einzige, was mich ab und an „gestört“ hat, waren die vielen Südafrikaner, die mich immer wieder gefragt haben, wo ich denn herkomme, was ich hier mache und wieso ich denn ausgerechnet mit einem vollbepackten Fahrrad ihr Land erkunden muß. Es ist unglaublich, was mir alles passiert ist, wie viele Menschen mich angesprochen haben, wie viele Menschen mich zu sich nach Hause eingeladen haben und in Gesprächen wissen wollten, wie das denn mit unserer Wiedervereinigung voran geht. Ich bin ja schon in einigen Ländern mit dem Fahrrad gewesen, aber solch eine Gastfreundschaft war auch für mich überwältigend. Vielleicht war ich aber auch nur so überrascht, weil ich vorher zu viel Negatives von anderen Menschen über Südafrika gehört hatte. Also nie auf andere hören, sondern selber die Erfahrung machen.
Ich möchte auf alle Fälle eine Lanze für Südafrika brechen. Ich habe mich in dem Land pudelwohl gefühlt, die Menschen sind absolut locker drauf, besonders der Rhythmus der Schwarzen ist ein ganz anderer. Es wird in den Straßen gelacht, und die Menschen gehen wesentlich freundlicher miteinander um als in Mitteleuropa. Der Service in den Geschäften, Unterkünften und Restaurants ist großartig; man wird überall gleich warmherzig empfangen. Und diese menschliche Wärme wünsche ich jedem, daß er sie in diesem landschaftlich spannenden Land erfährt.

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