Mit dem Fahrrad auf Reisen: Jakobsweg


Radpilger in NájeraDie saftgrüne Kette der Pyrenäen, dann die weiten Weingärten der kleinen Rioja, das kastilische Ödland und die saftigen Wiesen Galiciens. Kirchen, Klöster und Kastelle säumen den Weg. Dazwischen verlassene Örtchen und Einsiedeleien, die imposanten Kathedralen von Burgos und León. Ganz am Ende Santiago de Compostela, das Sehnsuchtsziel: Endlich hat man sie erreicht, die grandiose Pilgerstadt, heute Kulturdenkmal der Menschheit. Hier erweist man dem vermeintlichen Grab des Apostels Jakob des Älteren die Ehre – wie seit dem Mittelalter Abermillionen von Wallfahrern und unzählige Könige aus aller Herren Länder.

Die Zeiten haben sich gewandelt, das Ziel ist geblieben. Heute boomt der Jakobsweg, Camino de Santiago, wie zu seiner besten Epoche. Das Spanische Fremdenverkehrsamt tut sein Übriges und schaltet monumentale Anzeigen in deutschsprachigen Tageszeitungen. Leitmotiv: „Kommen Sie, und haben Sie teil am Wunder!“ In jüngster Zeit ist der Pilgerboom durch Bestseller wie „Ich bin dann mal weg“ und Fernsehbeiträge im Stil des „großen Promi-Pilgerns“ weiter angestachelt worden.

Immer mehr Pilger der Neuzeit gehen den legendären Weg nach Santiago an – ob aus tiefem Glauben oder sportlichem Antrieb, ob aus Selbstfindungsgründen oder Spaß am preiswerten Erlebnisurlaub, ob auf den Spuren von Paolo Coelho, Shirley MacLaine oder Hape Kerkeling. Doch nicht nur zu Fuß, auch mit dem Rad nehmen viele den Jakobsweg ab der französisch-spanischen Grenze in Angriff. Diesem Strom an Aktivurlaubern trägt das Buch Rechnung.

Wer sich auf spanisches Lebensgefühl einlässt, braucht, nach unseren kühlen mitteleuropäischen Maßstäben, ein warmes Gemüt und viel Geduld. Fast mehr Geduld als Gemüt. Ergötzlich klingt’s, wenn uns andere von der berüchtigten spanischen mañana-Mentalität erzählen – kein Problem, wird morgen erledigt. Als weniger heiter mag man im Reisealltag empfinden, wenn uns der Chef der Fahrradwerkstatt – seelenruhig und freundlich lächelnd – zum drittenmal aufs dringend benötigte Ersatzteil vertröstet. Sie denken, hier tischt Ihnen jemand Klischees auf? Hand aufs Herz – nein. Dazu hat der Autor dieses Buches zu lange in Spanien gewohnt und gewartet.

Apropos Klischees: Überlaufene Orte und Bettenburgen im Benidorm-Stil finden Sie ebenso wenig wie den Flamenco, die feurige Carmen und Sonnengarantie mit stahlblauem Himmel. Spaniens grüner Norden will grünen und macht vor Jahreszeiten und deutschsprachigen Radlern nicht halt. Im Klartext: Regenschutz gehört ganz oben auf die Packliste!


Wer sich allzu durchweicht fühlt (soll vorkommen), wärmt sich in der nächsten urigen Ortskneipe mit starkem Milchkaffee oder einem appetitlich großen Kartoffelomelette (tortilla de patata). Wem’s zu heiß wird (soll auch vorkommen), der trinkt aus dem nächsten quellfrischen Brunnen in der Dorfmitte.


Buen viaje – gute Reise.

[Startseite]